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Der psychologische Vertrag im Corona-Griff – und die Wichtigkeit von Vertrauen

Beim Lesen der diesjährigen Highlights der Trendstudie von Great Place to Work (11/2020) wurde ich neugierig. Die Studie geht der Frage nach, wie sich der innerbetriebliche Umgang mit der Krise bei Mitarbeitenden auswirkt. Ein Thema, das mich als Beraterin und Befürworterin der Positiven Psychologie sehr beschäftigt. Kurzarbeit, Stellenabbau, Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation und Angst vor Arbeitsplatzverlust lassen das Vertrauen in die Unternehmen und Führung sinken, womit das Risiko eines Bruchs des sogenannten psychologischen Vertrags steigt. Dabei ist ein intakter psychologischer Vertrag der Garant für Mitarbeiterengagement, Bindung und Motivation.

Das Konzept des psychologischen Vertrags

Wir alle kennen den juristischen Arbeitsvertrag, den Unternehmen mit ihren Mitarbeiter*innen abschließen. In diesem werden die jeweiligen Verpflichtungen und Leistungen der Vertragspartner geklärt, wie zum Beispiel Gehalt, Urlaubsanspruch, Zusatzleistungen, die Rolle und die zu leistende Arbeit. De facto das Thema „Arbeit gegen Geld“.

Neben diesem ökonomischen Vertrag besitzt jede und jeder Mitarbeitende zusätzlich einen zweiten, persönlichen, impliziten Vertrag mit dem Unternehmen, den sogenannten „psychologische Vertrag“. In ihm werden die sozialen Verpflichtungen und der Austausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in geregelt. Es geht dabei beispielsweise um Weiterbildungsmöglichkeiten, Aufstiegschancen, Annehmlichkeiten, aber auch um Wertschätzung, Anerkennung und Fairness. Im Vordergrund steht die Frage nach der ausgeglichenen Bilanz aus motivationalem Investment der Mitarbeitenden und indirekter psychologischer Vergütung durch die Organisation.

Aus diesem Grund investiert zum Beispiel jemand seine ganze Zeit, sein Können und sein Engagement mit vielen Überstunden in ein Start-up. Um damit Teil eines innovativen Teams zu sein, gemeinsame Inspiration zu erleben und hoffentlich eine ungewöhnliche Idee zum Leben zu erwecken. So versprechen sich Menschen auch durch die Tätigkeit bei einem Marktführer eine persönlichem, emotionale Aufwertung. Als ich vor langer Zeit als Beraterin für DaimlerChrysler in Stuttgart arbeitete, lernte ich, dass man nicht „beim Daimler arbeitet“, sondern dass man als langjährig Mitarbeitender „ein/e Daimler“ ist. Man ist somit ein Teil einer großen Familie. Diese Zugehörigkeit und Sinnhaftigkeit erfüllte viele Menschen mit einer großen Portion Stolz und Befriedigung (Wellbeing).

Der gebrochene psychologische Vertrag

Dieser Vertrag kann allerdings auch gekündigt werden, wenn der soziale Ausgleich ausbleibt oder zu gering ist. Man spricht dann von einem „gebrochenen psychologischen Vertrag“. Meist handelt es sich um einen langsam schleichenden Prozess der Enttäuschungen und Frustration, an dessen Ende ein Mensch mit innerer Kündigung, fehlender Bindung und abhandengekommener Motivation steht. Von diesen Mitarbeiter*innen gibt es viele, wie die jährliche Gallupbefragung zur Mitarbeiterzufriedenheit in Organisationen zeigt.

„Vertrauen ist die Basis für alles, was wir tun!“

Frances Frei, TED 2018

Im psychologischen Vertrag spielt Vertrauen eine ganz wesentliche Rolle. Jede/r Mitarbeitende möchte seinem Arbeitgeber in vielerlei Hinsicht vertrauen können; geht doch jede/r mit einem Arbeitsverhältnis auch eine gewisse Abhängigkeit ein.

Bedenkliche Studienergebnisse

Die aktuellen Studienergebnisse von Great Place to Work verdeutlichen den Wunsch nach einer größeren Vertrauenskultur in die Unternehmen

Bei der letzten Befragung von Great Place to Work im November 2020 zeigt sich: Neben Veränderungen wie Digitalisierung und den wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise, hat sich für 13 % der Befragten auch die Unternehmenskultur verändert. Die harten Fakten wie Kurzarbeit, Entlassungen, wirtschaftliche Einschränkungen wirken sich massiv auf das Vertrauen in das eigene Unternehmen aus. Mehr als zwei Drittel (67%) geben an, nur noch (sehr) geringes Vertrauen in die Entscheidungen der obersten Führungskräfte zu haben.

Stattdessen gewinnt das Gefühl von Orientierungslosigkeit die Oberhand. Wie aber kann man in schwierigen Zeiten Vertrauen erhalten oder auch zurückgewinnen? Vertrauen steht nach Frances Frei auf drei Säulen: Empathie, Authentizität und Logik / Sinnhaftigkeit. Jeder Faktor ist wesentlich, sonst geht das Vertrauen gegen Null. Nur wenn ich jemanden empathisch und authentisch erlebe, bin ich bereit, dieser Person auch tatsächlich zu vertrauen.

Den Faktor Logik bzw. Sinnhaftigkeit unterschätzen wir meist. Logik ist in Krisenzeiten das klare Benennen, dessen was ist: „Ja, die Situation ist schwierig“ (Logik), „Ja, ich weiß noch nicht wie es genau nächstes Jahr weitergeht.“ (Logik) und „Ja, ich kann verstehen, wenn dir das enorme Sorgen macht.“ (Empathie).

Was auf die Erhöhung des Vertrauens einzahlt

Gegenseitiges Vertrauen entsteht erst mit der Zeit. Es muss wachsen. Menschen schätzen das Gefühl, sich auf etwas Vorhersehbares verlassen zu können. Das heißt, Vertrauen braucht Beständigkeit und Redlichkeit. Dabei schätzen Mitarbeiter einen klaren und deutlichen Vorgesetzten mehr, als jemanden der immer nur nett ist. Denn irgendwie weiß man ja doch nicht so genau, womit man bei all der Freundlichkeit dran ist. Auch ein Lob wirkt von einer klaren Führungskraft viel stärker, weil man weiß, dass sie auch kritische Themen ansprechen kann. Gerade jetzt wünschen sich Menschen einen mutigen Umgang mit belastenden Themen und unangenehmen Wahrheiten.

Und so schließt sich dann auch der Kreis. Mutige, klare Führung; sagen, was man meint und meinen, was man sagt; zahlt auf das Vertrauen der Mitarbeiter*innen ein und stärkt den psychologischen Vertrag. Auch in Zeiten der Krise.