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Gibt es die perfekte Führungskraft?

Persönlichkeitsmerkmale erfolgreicher Führung

Wer sucht sie nicht, die perfekte Führungskraft? Und wer möchte als Führungskraft nicht Spitzenklasse sein? Die Realität sieht leider eher ernüchternd aus, wie beispielsweise die aufsehenerregende Gallup-Befragung 2018 zum Thema „Wirksame Führung“ zeigt. Laut der Studie wünschen sich die Mitarbeitenden Vorgesetzte, die es verstehen, eine vertrauensvolle und emotionale Beziehung zwischen den Mitarbeitenden und dem Unternehmen herzustellen. Insbesondere wünschen sie sich anspruchsvolle, abwechslungsreiche und als sinnvoll empfundene Tätigkeiten, die ihrer Persönlichkeit entsprechen.

Der Anspruch an Führungskräfte ist hoch. Gute Führungskräfte sorgen für motivierte und kompetente Mitarbeitende am richtigen Platz und damit für gute Ergebnisse in ihrem Bereich. Gute Führungskultur korreliert folglich hoch mit dem Geschäftserfolg eines Unternehmens. Wie kommt es dann, dass die Befragungsergebnisse trotz dieses Wissens so schlecht ausfallen?

 

Leadership-Kultur als Schlüsselfaktor

In meiner Beratungspraxis beschäftigt mich dieses Thema in jedem Kontext. Agilisierung, Cultural Change, Werteprozesse, Konfliktberatungen – an dem Thema Leadership-Kultur kommt man bei keinem dieser Beratungsanlässe vorbei. Immer wieder stehe ich gemeinsam mit meinen Auftraggebenden vor der Frage „Wie bekommen wir die Mannschaft mit ins Boot?“, „Welche Leadership-Kultur brauchen wir für unseren unternehmerischen Erfolg?“ sei es um einen Konflikt zu lösen oder Unternehmenswerte mit Leben zu erfüllen.

 

Die zentralen Persönlichkeitsmerkmale erfolgreicher Führung

Eine wichtige Antwort fand ich in den letzten Wochen beim Lesen des Buchs „Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern“ von Gerhard Roth. Der bekannte Neurowissenschaftler setzt dabei auf die zentralen Persönlichkeitsmerkmale wirksamer Führung. In jedem Buch über Führung und Leadership werden die Rolle, Anforderungsprofile und Kompetenzmodelle für Führungskräfte beschrieben. Die Persönlichkeitsmerkmale erfolgreicher Führungskräfte spielen dabei allerdings eine eher untergeordnete Rolle.

Aus Sicht des Autors geht es um die Passung von Persönlichkeit und Stelle. Ein Mitarbeiter im Vertrieb tut sich mit einer dynamischen Persönlichkeit leichter, als ein Mensch, der sich durch Eigenschaften wie Gewissenhaftigkeit und strukturiertes Vorgehen auszeichnet.

 

Die zentralen Persönlichkeitsmerkmale wirksamer Führung

  • Stressresilienz,
  • Frustrationstoleranz,
  • Konfliktkompetenz,
  • Durchsetzungskraft,
  • Empathie sowie
  • eine hohe Grundmotivation

sind die zentralen Persönlichkeitseigenschaften einer erfolgreichen Führungskraft.

Ausgeprägte Selbstkontrolle und Selbstreflexion, vor allem auch im Umgang mit Macht und Verantwortung sowie ein starker Veränderungswille gehören ebenso dazu.

All diese Faktoren sagen etwas über die sogenannte emotionale Reife aus. Wie gut gelingt es uns, andere Meinungen gelten zu lassen? Wie klar können wir auch in kritischen Kontexten unsere Meinungen äußern? Sind wir in der Lage, eine Belohnung auch mal auzuschieben? Müssen wir gleich unsere Bedürfnisse befriedigen oder können wir abwarten?

Gerade in Meetings und Workshops, im Coaching und in Interviews können wir diese Eigenschaften bestens beobachten und erleben. Sie geben uns enorme Hinweise auf die Agilität und Anpassungsfähigkeit von Menschen und damit auf die Entwicklungschancen von Unternehmen.

 

Die zentralen Persönlichkeitsmerkmale im Detail

Stressresilienz und Frustrationstoleranz

Je besser wir schon in unserer Kindheit gelernt haben, unseren Stress zu verarbeiten und uns selbst zu beruhigen, umso stärker sind diese Eigenschaften im Erwachsenenalter ausgeprägt. Wir brauchen diese beiden Eigenschaften, um mit den täglichen Herausforderungen und Ansprüchen umzugehen. Wie sonst bewältigen Führungskräfte Krisen?

Konfliktkompetenz

Schon im Kindergarten zeigt sich, wie gut wir mit unseren eigenen und den Bedürfnissen anderer Kinder umgehen können. Können wir andere Meinungen und Sichtweisen zulassen? Können wir uns entschuldigen oder verzeihen? Dabei wähle ich bewusst so altmodische Wörter. Sind Sie und Ihre KollegInnen in der Lage, auch einmal zurückzustecken?

Es gibt keine Zusammenarbeit ohne Konflikte. Wie stellen sich Ihre Führungskräfte solchen Herausforderungen? Was erzählt Ihnen ein Bewerber über seine Erfahrungen mit Konflikten und seinen Zugang?

Durchsetzungskraft

Wie stark ist der Wille einer Führungskraft eine gut überlegte und abgewogenen Entscheidung auch gegen Widerstand umzusetzen. Ist sie dabei in der Lage, begründete Einwände anzuhören und ggf. zu integrieren?
Führung braucht ein gutes Maß an Durchsetzung von unpopulären Maßnahmen und gleichzeitig ein feines Gespür für die Art und Weise der Kommunikation und das angemessene Maß von Entscheidungen. Durchsetzungskraft geht stark mit dem persönlichen Verhältnis zu Macht einher. In diesem Kontext bedeutet es, bin ich bereit, wenn sinnvoll, in den Handlungsspielraum meiner Mitarbeitenden einzugreifen.

Empathie

Leistung und Erfolg sind wesentliche Triebfedern für viele Menschen im Beruf. Aber nicht nur. Manche Menschen lieben ihren Beruf insbesondere auch deshalb, weil sie gerne mit ihren KollegInnen oder KundInnen zusammen sind und den Austausch und die Zugehörigkeit schätzen. Gerade im oberen Management sollte man die Qualität von vertrauensbildenden Verhaltensweisen anderen gegenüber nicht unterschätzen.

Grundmotivation

Menschen streben nach Macht, Leistung, sozialer Zugehörigkeit. Allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. Manchen sind die Insignien der Macht nicht wichtig oder sie definieren sich nicht über Leistung.  Führung braucht Menschen, die etwas erreichen und umsetzten wollen, die Widerstand eher beflügelt als abschreckt, die sich Ziele setzen können und Krisen aushalten können.

Die Ausprägung der dieser Persönlichkeitsmerkmale beeinflussen den Führungsstil und damit Erfolg eines Menschen. Sie sollten daher bei der Entwicklung und Auswahl von Führungskräften im Vordergrund stehen.

 

Die Passung von Persönlichkeit und Stelle

Wie sieht denn nun die perfekte Führungskraft aus? Belastbarkeit, Empathie und Durchsetzung sind ganz generell Eigenschaften, die mit wirksamer Führung einhergehen. Gleichzeitig geht es um die ganz wichtige Frage, welche Anforderungen die jeweilige Stelle an ihren Inhaber stellt.

Manche Rollen brauchen Mut, Entschiedenheit auch in Unsicherheit, Innovation und damit eher dynamische Eigenschaften. Diese, Gerhard Roth nennt sie „Dynamiker“ sind extravertiert, verträglich, wagemutig und offen für Neues. Die zwei dazugehörigen Untertypen sind der Ehrgeizige und die Innovative.

Auf der anderen Seite gibt es die „Stabilen“, mit den Untertypen der Feinfühligen und des Gewissenhaften. Sie lieben die Ordnung, sorgen für einen reibungslosen Ablauf und wägen Risiken und Möglichkeiten sorgfältig ab. Sie schätzen Aufrichtigkeit, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit.

Je nach Stelle braucht es mehr vom Dynamischen bzw. vom Stabilen. Und je mehr die zentralen Persönlichkeitseigenschaften einer Person zur Stelle passen, desto leichter fällt es dem Stelleninhaber, die Stellenanforderungen ohne großen psychischen Aufwand zu erfüllen und langfristige Erfolge zu erzielen. So entsteht eine Top-Performance aufgrund einer hohen intrinsischen Motivation.

Personen, denen die für eine Stelle notwendigen Eigenschaften wie Kreativität oder hohe Veränderungsaffinität fehlen, müssen hingegen sehr viel psychische Energie aufwenden, um den Mangel zu kompensieren. Das ist der Grund, warum Führungskräfte in dem einen Job scheitern, in einem anderen jedoch herausragende Ergebnisse erzielen. Je nachdem, wie stark die Passung zwischen Persönlichkeit und Person ist.

 

Die perfekte, erfolgreiche Führungskraft ist kontextabhängig

Was ist nun die Conclusio? Und Sie wissen es schon: was eine erfolgreiche Führungskraft ausmacht, ist kontextabhöngig. Das könnte eine Anregung für Ihr nächstes Recruiting, die Beurteilung Ihrer Mitarbeitenden oder auch für Ihre Selbstreflexion sein.

Quelle:

Gerhard Roth, Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern, Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten, 2. Auflage 2019, Klett-Kotta