butterfly-5131967

Gut durch die Krise – Krisentaugliche Tools der positiven Psychologie für mehr Wohlbefinden

Die jetzige Corona-Krisensituation beeinträchtigt auf vielen Ebenen unser Wohlbefinden und erschüttert unser Bedürfnis nach Autonomie, Sicherheit und Zugehörigkeit. Der Ansatz der Positiven Psychologie birgt eine wahre Schatzkiste an Methoden, die uns helfen, wieder mehr Boden unter den Füßen zu gewinnen. Einige davon werden hier vorgestellt.

Im letzten Jahrhundert hat sich die klinische Psychologie maßgeblich mit dem Bereich der Psychiatrie beschäftigt. Sie hat Medikamente und Behandlungsmethoden entwickelt, es sind psychotherapeutische Schulen entstanden und wurden Testverfahren entwickelt. Immer mit dem Blick, vorhandene Defizite zu behandeln.

Dem wollte der amerikanische Psychologe Martin Seligman etwas entgegensetzen. In seiner Antrittsrede als Präsident der American Psychological Association (APA) rückte er die Positive Psychologie (PP), deren Begründer er ist, in den Fokus. Ihm ging es darum auf der Basis von empirischen Untersuchungen den ganz „normalen“ Menschen Möglichkeiten aufzuzeigen, mehr Wohlbefinden (Wellbeing) in ihr Leben zu bringen.

Die Positive Psychologie beschäftigt sich nun seit über zwanzig Jahren u.a. mit Optimismus, Hoffnung, Selbstwirksamkeit und Selbstwertgefühl, mit positiven Emotionen, eigenen Stärken und erfüllenden Tätigkeiten, die Flow erzeugen.

 Die gute Nachricht ist, dass einfache, tägliche Übungen schon signifikant mehr Optimismus und vor allem Lebenszufriedenheit bringen. Menschen werden u.a. optimistischer, kreativer und flexibler.

 Die schlechte Nachricht ist, dass man diese Übungen regelmäßig durchführen muss. Dafür können Sie auswählen, welche Übungen Sie besonders ansprechen. Und nach und nach werden Sie Fortschritte erkennen, was diese Nachricht dann doch wieder zu einer Guten werden lässt. 😀

Nachfolgend finden Sie einige Methoden und Konzepte, die meine KlientInnen vor allem in Krisenzeiten als gutes Handwerkszeug erleben.

Die Erhöhung unserer Selbstwirksamkeit

Gerade in herausfordernden Situationen tut es uns gut, wenn wir uns selbst als handlungsfähig und kompetent gegenüber auftretenden Schwierigkeiten erleben. Wir wollen glauben, dass wir es schaffen, ohne Wenn und Aber. Diese Überzeugung, dass wir die notwendigen Kompetenzen besitzen und an ein gutes Ergebnis unserer Bemühungen glauben, gibt uns Sicherheit und beruhigt.

Manchmal verlieren wir jedoch den Glauben an uns und dann könnten folgende Fragen – schriftlich beantwortet – hilfreich sein:
  • In welchen Situationen habe ich bereits eine (ähnliche) Herausforderung gemeistert?
  • Welche meiner Verhaltensweisen / Stärken / Eigenschaften haben mir dabei besonders geholfen?
  • Welche meiner Verhaltensweisen / Stärken / Eigenschaften werden mir bei der neuen Herausforderung helfen?
  • Wie können meine Stärken mich unterstützen, auftretende Hürden zu meistern?

Sie werden überrascht sein, wieviel Herausforderungen Sie schon in Ihrem Leben gemeistert haben und wieviel Ressourcen Ihnen einfallen werden. Nur, weil man vor einer völlig neuen Situation steht, heißt das nicht, dass man sie nicht bewältigen kann. Wie schon Pippi Langstrumpf sagt „Das habe ich noch nie versucht, also bin ich ziemlich sicher, dass ich es schaffe“. Wir können an jeder Krise wachsen und vor allem auch resilienter, d.h. belastbarer werden.

Die Hoffnung nähren – vom naiven zum ressourcen-orientierten Optimismus

In emotional herausfordernden Situationen helfen uns Hoffnung und Zuversicht. Im hawaiianischen Schamanismus gibt es einen Spruch „Segne die Gegenwart. Vertraue auf Dich selbst. Erwarte das Beste!“ Auch wenn man nichts mit der spirituellen Seite dieses Spruchs anfangen kann, so schließt er doch sehr gut an das Konzept der Selbstwirksamkeit und der Stärken an.

 In Krisen hilft uns ein ressourcen-orientierter Optimismus weiter

Die Positive Psychologie bedient sich des Konzeptes des ressourcen-orientierten Optimismus. Nicht um naiv-blindes Vertrauen geht es, sondern um die Ausrichtung auf die eigenen Ressourcen (Fähigkeiten und Stärken).  Und zwar auf der Basis von Erfolgen in der Vergangenheit.

  • Wenn ich etwas lösen muss, wofür ich noch keinen Plan habe à Wo/wann ist mir etwas gelungen, wo ich auch nicht dachte, dass es gelingt? Welche Stärken haben mir dabei geholfen?
Positive Emotionen – der Nährboden für Lebenszufriedenheit und Wachstum

Durch Sorgen machen und grübeln stärken wir unsere negativen Gefühle – wie Angst, Unsicherheit, Hoffnungslosigkeit. Auch wenn es paradox klingt, gerade dann tun uns positive Gefühle gut.

Positive Gefühle – wie beispielsweise Freude, Dankbarkeit, Gelassenheit, Vergnügen, Stolz, Zufriedenheit und der schon erwähnte Optimismus – erweitern unseren Horizont. Wir betrachten Situationen von mehreren Blickwinkeln, haben so mehr Handlungsspielraum und bauen Ressourcen aus.

Positive Gefühle, so hat die PP herausgefunden – allen voran die Psychologin Barbara Fredrickson – können wir trainieren. Dadurch können wir sie schneller und stärker wahrnehmen.

 Drei Übungen, wie wir unsere positiven Gefühle stärken können:

Positiver Tagesrückblick – 4-Evening-Questions – Eigene Stärken erkennen und nützen
  1. Was hat mir heute Freude bereitet?
  2. Wo habe ich mich heute lebendig gefühlt?
  3. Wofür und wem kann ich heute dankbar sein?
  4. Welche Stärken konnte ich heute ausleben?

Diese Übung stammt von Dr. Markus Ebner, aus seinem Buch „Positive Leadership“. Sie zielt auf unsere Stärken und auf gute Gefühle wie Dankbarkeit ab. In Studien konnte Markus Ebner nachweisen, dass die Übung als Bereicherung erlebt wird. Die eigenen Wertigkeiten wurden wieder klarer und die Studien-Teilnehmer*innen gaben an, Kleinigkeiten wieder mehr zu schätzen. Schon nach einer Dauer von nur zwei Wochen wurde ein positiver Stimmungseffekt erlebbar.

So geht es: Sie brauchen etwas zum Schreiben, vielleicht ein Notizbuch oder Tagebuch, eine ruhige Ecke und fünf bis zehn Minuten Zeit. Dann beantworten Sie für sich die oben genannten Fragen. Prüfen Sie gründlich und schreiben Sie auch Kleinigkeiten auf. Vor allem, versuchen Sie das jeweilige Gefühl von Dankbarkeit oder Lebendigkeit in Bezug auf die erlebten Situationen zu spüren. Je besser ihnen das gelingt, desto nachhaltiger die Übung.

Die Steinchen- oder Bohnenübung

Diese Übung aus der PP bedient sich des gleichen Effekts wie die 4-Evening-Questions-Übung. Sie reaktiviert positive Gefühle

So geht es: Morgens zu Tagesbeginn stecken Sie sich vier Steinchen, Perlen ihrer Tochter oder kleine getrocknete Bohnen in eine Hosentasche. Im Laufe des Tages wandert bei jedem schönen Erlebnis, zum Beispiel einem feinen Telefonat, einem genussvollen Kaffee, einem netten Kompliment ein Steinchen in die andere Hosentasche. Am Ende des Tages sind hoffentlich alle Steinchen gewandert.

Dann kommt der zweite Teil der Übung: Abends nehmen Sie Ihre Steinchen und spüren bei jedem einzelnen nochmals der damit verbundenen Situation nach. Erinnern Sie sich, wie war das bei Ihrem Telefonat. Wo haben Sie gelacht, sich verbunden und gesehen gefühlt? Was bedeutet Ihnen die andere Person? Genießen Sie die guten Gefühle – sie tun Ihnen gut.

Positive Gespräche führen

So geht es: Führen Sie täglich – ganz bewusst – Gespräche, die sich um ein angenehmes Thema drehen. Wechseln Sie das Thema, wenn Sie merken, dass Sie hauptsächlich über Probleme und Schwierigkeiten sprechen. Sie werden merken, Ihre Stimmung hebt sich ziemlich schnell.

Setzen Sie sich dabei nicht unter Druck. Wenn Ihnen einmal nur ein schönes Thema einfällt, ist das genauso willkommen wie fünf Themen. Ein schöner Nebeneffekt: Sie werden die Menschen um sich herum anstecken und viele werden Ihnen – statt zu jammern – auch die schönen Erlebnisse aus ihrem Leben erzählen.

Freundlichkeit – random acts of kindness

Das Pippi Langstrumpf Zitat „Warte nicht darauf, dass Menschen dich anlächeln. Zeige ihnen, wie es geht.“ trifft hier zu. Freundliche Gesten erzielen meist unmittelbare Resonanz.

So geht es: Schenken Sie Blumen oder ein Lächeln. Machen Sie einem Fremden ein Kompliment. Halten Sie die Tür auf. Laden Sie jemanden auf einen Kaffee ein. Dekorieren Sie den Tisch an einem normalen Tag.

Wenn Sie anderen solche Freundlichkeiten zeigen, werden Sie merken, dass Ihnen schnell noch mehr Ideen dazu einfallen. Und garantiert: Sie bekommen etwas zurück.

Literatur zum Thema
Jörg Feuerborn, Positive Psychologie, Haufe Taschenguide, 2016;
Dr. Markus Ebner, Positive Leadership, Erfolgreich führen mit PERMA-Lead: die fünf Schlüssel zur High Performance, facultas 2019