Fischschwarm

Warum klappt´s nicht mit dem Feedback?

Über die Feedback-Interventions-Theorie und psychologische Sicherheit

Sie kennen das: Ihre Mitarbeiterin hat ein wichtiges Meeting versäumt und damit fehlten dort wesentliche Informationen, die das Meeting hätten in Ihrem Sinne beeinflussen können.

Jetzt beginnt bei vielen Menschen die Überlegung: „Lohnt es sich, Einfluss auf mein Gegenüber, d.h. meine Mitarbeiterin zu nehmen oder riskiere ich damit, unsere grundsätzlich gute Beziehung zu beschädigen?“

Feedback geben, ist für beide Seiten hochambivalent!

Feedback geben und empfangen ist für beide Seiten aufgrund der Motive, die beide in das Gespräch miteinbringen, hochambivalent: Die Mitarbeiterin schätzt ihr Handeln anders ein und möchte ihren Selbstwert erhalten („Das war nicht mein Fehler“) und die Führungskraft wägt dazwischen ab, ob es sich lohnt, die Mitarbeiterin durch Kritik zu beeinflussen oder ob die gute Beziehung wichtiger ist.

Wie lässt sich diese Ambivalenz auflösen?

 

Die Feedback-Interventions-Theorie – fast unbekannt und trotzdem hochrelevant

Wir alle kennen die gängigen Feedbackregeln der Ich- und Du-Botschaft. Wenige kennen andere wissenschaftliche Konzepte, z.B. die Feedback-Interventions-Theorie nach Kluger & Denisi, 1996. Die beiden Wissenschaftler haben sich über 100 Studien zu Feedback angesehen und festgestellt, dass es diverse Situationen gibt, in denen die Leistung nach dem Feedback nicht besser, sondern schlechter wird. Und zwar bei positivem und bei negativem Feedback.

Vor diesen Untersuchungen war völlig unklar, wie es dazu kommen kann, dass Leistungen sich, gegen die eigentliche Intention, nach einem Feedback verschlechtern. Die beiden Forscher wollten wissen und haben entsprechend untersucht, was Feedback eigentlich bewirkt und daraus eine Theorie, die Feedback-Interventions-Theorie entwickelt.

Folgende Erkenntnisse konnten sie gewinnen: Feedback macht zuerst einmal nichts anderes, als unsere Aufmerksamkeit zu steuern. Und zwar entweder auf unser Selbstbild oder unser Verhalten oder auf die erreichten Resultate. Dabei gibt es einen Abgleich zwischen Ist und Soll, z.B. „So bist du“ versus „So solltest du sein“. Oder wenn wir auf das Verhalten fokussieren, dann könnte es heißen „Das hast du getan (Ist), versus Das solltest du tun (Soll)“.

„Du hast gestern die Frist nicht eingehalten“ löst beispielsweise einen solchen Vergleich aus.

 

Was passiert bei negativem Feedback beim Empfänger, wenn die Rückmeldung das Selbstbild trifft?

Durch den Soll-Ist-Vergleich kommt bei dem Feedback-Empfänger an, „Du bist nicht, wer du sein sollst“, oder „Du tust nicht, was ich von dir erwarte“. In jedem Fall werden damit negative Emotionen freigesetzt. Die Empfängerin ärgert sich, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlt oder sie schämt sich, wenn sie erkennt, dass das Feedback stimmt. Beide Emotionen, Ärger und Scham stören eine konstruktive Verarbeitung und führen oft zu entsprechend defensiven Reaktionen. Nämlich zu Ausreden, Rechtfertigung oder Gegenangriffen. Man tritt also die Flucht an oder man geht in die Verteidigung bzw. in den Angriff („Du bist selbst ein Versager“).

 

Negative Emotionen und defensive Reaktionen führen nicht zu den gewünschten Reaktionen

Fazit: die negativen Emotionen und die defensiven Reaktionen führen dazu, dass das kritische Feedback auch negative Effekte auf das Verhalten (die Leistung wird nicht besser oder sogar noch schlechter) und auf die Beziehungsebene hat (das Vertrauen in den anderen verschlechtert sich).

 

Feedback zur Tätigkeit und gezeigtem Verhalten steigert die Bereitschaft zur Veränderung

Ein wesentlicher Faktor für den Nutzen von Feedback scheint laut Avraham Kluger und Angelo DeNisi der unmittelbare Bezug zur Tätigkeit des Feedbackempfängers zu sein. Wenn also eine Mitarbeiterin auf Basis ihres bisherigen Verhaltens Hinweise erhält, wie sie ihre Leistung steigern kann, so ist es wahrscheinlich, dass sie sich verbessert.

Wenn sich das Feedback jedoch stärker auf das Individuum selbst konzentriert, schwindet die Änderungsbereitschaft. Beispielsweise ändert sich wenig bis nichts, wenn man einen Mitarbeiter wissen lässt, er sei ein schlechter Zuhörer. Besser wäre es, dieser Mitarbeiter würde die Rückmeldung erhalten, dass sein Kunde eher einen Vertrag abgeschlossen hätte, wenn er sich mehr Zeit zum Zuhören und damit zur Erhebung des Kundenbedarfs genommen hätte. So hätte er den Bedarf des Kunden umfassend verstehen können.

 

Psychologische Sicherheit als Voraussetzung dafür, dass die Botschaft ankommt

Als Empfänger von kritischem Feedback möchten wir uns vor allem vor Angriffen auf unser Selbst, unsere Persönlichkeit schützen und sind daher sehr skeptisch, was uns denn im nächsten Satz, nach dem „Ich muss mit dir reden“ gesagt wird. Das bedeutet, wir wollen die Situation und vor allem auch unser Gegenüber grundsätzlich als konstruktiv, als partnerschaftlich erleben.

Psychologische Sicherheit beschreibt die individuelle Überzeugung eines Menschen, dass es sicher ist, zwischenmenschliche Risiken einzugehen (Edmondson, 1999). Im organisationalen Kontext kann es sich dabei beispielsweise um das Einbringen einer unkonventionellen Idee, Kritisieren, Hinterfragen, das Austragen eines Konflikts oder das Gestehen eines Fehlers handeln. Diesem Verhalten folgen in einem psychologisch sicheren Umfeld keine negativen Konsequenzen von KollegInnen und Vorgesetzten weder für das Selbstbild, den Status oder die Karriere noch Schuldzuweisungen oder Vergeltungsmaßnahmen (Edmondson 2018).

Psychologische Sicherheit in Kontext von Feedback besteht dann, wenn das Feedback im Gespräch auf die gemeinsamen Interessen fokussiert (z.B. unser vereinbartes Projektziel) und vor allem dann, wenn wir, besonders in schwierigen Situationen, den gegenseitigen Respekt bewahren.

Allerdings haben wir es hier mit einem Dilemma zu tun: Wir können nicht Feedback geben und zur selben Zeit psychologische Sicherheit schaffen, wenn wir selbst emotional aufgeladen und wütend oder ärgerlich sind. Dafür müssen wir uns erst einmal wieder beruhigen und einen kühlen Kopf bekommen. Was natürlich hilft, ist eine Nacht darüber zu schlafen, aber manchmal gibt es nicht eine Nacht, sondern man muss relativ schnell wieder in ein moderates Fahrwasser kommen.

 

Emotionen abkühlen: die Cooling-Down-Technik

Was dabei hilft ist die Cooling-Down-Technik, die wir uns in einer Pause oder auch in einer kurzen Selbstreflexion vor unser inneres Auge holen und kurz durchspielen können. Folgende Schritte werden dabei durch uns als Führungskraft durchlaufen, wenn wir unsere Mitarbeiter*in wieder in den emotional sicheren Hafen zurückholen wollen:

1. Ich mache mir das eigene Handeln bewusst – befinde ich mich in einem Zustand von Angriff oder Flucht?

2. Ich reflektiere meine Emotionen – Welche Emotionen lassen mich gerade so agieren? Ist es Wut, Ärger oder vielleicht auch ein starkes Harmoniebedürfnis (Angst vor neg. Konsequenzen)

3. Die eigene Geschichte analysieren – das ist der wichtigste Part. Wie in der „Geschichte von dem Hammer“ von Paul Watzlawick, wo ein Mann sich innerlich so in Rage über seinen Nachbarn redet, dass er ihn gleich mit einem massiven Wutgeschrei begrüßt, als dieser die Tür öffnet. Es geht dabei um unsere innere Geschichte, die wir uns zu einer Situation selbst erzählen, also darum, wie wir uns eine Situation im Affekt erklären. Wenn ich mir selbst einrede, der andere wäre bösartig und hinterhältig, dann reagiere ich anders, als wenn ich davon ausgehe, dass mein Gegenüber unerfahren oder nachlässig war. – Hier arbeiten wir mit der Frage „Welche Geschichte, die ich mir hier gerade erzähle, erzeugt diese Emotionen?“

4. Die Fakten prüfen – sind alternative Erklärungen möglich? – Welchen objektiven Beweis/andere Beobachtungen habe ich, um meine Geschichte zu unterstützen?

So können wir, mit einem gewissen Maß an Selbstreflexion unsere Emotionen einordnen und kontrollieren und damit unsererseits wieder eine Basis, für die Weiterführung des Gesprächs ermöglichen.

Quelle:

Dr. Marc Solga, im Rahmen der Transformation Journey 2022, Handelsblatt Management Campus

Amy Edmondson, The fearless organization, 2018